Ich bin Redaktionsleiter bei den Ratgeberverlagen Südwest und Irisiana. Meine Arbeit umfasst Programmplanung, Autorenakquise, die Durchführung von Buchprojekten und die „Betreuung“ von vier Redakteur*innen. Neben klassischen Redaktionstätigkeiten und konkreter Projektarbeit mit Herstellern, externen Redakteuren oder Grafikern ist meine Arbeitswoche geprägt von Verlagsteamsitzungen, Marketingterminen, Coverrunden und vor allem Redaktionsrunden, in denen neue Themen und Autoren diskutiert werden.
Beim Südwest Verlag bin ich mittlerweile mehr als 15 Jahre. Und es macht immer noch Spaß. Denn das berufliche Umfeld und die Anforderungen haben sich in den letzten Jahren so stark verändert, dass man alle paar Jahre eigentlich einen „neuen“ Job hat. Das stille Kämmerchen, in dem an Texten gebosselt wird, ist heute eher die Ausnahme, die berufliche Realität ist geprägt von Teamwork und Vernetzung. Hat man früher noch vieles selbst gemacht – bis hin zur Arbeit mit Layout-Programmen –, so sind heute eher Managementfähigkeiten gefragt, um die verschiedenen Beteiligten an einem Buchprojekt oder Buchprogramm zeitlich, technisch und qualitativ zu koordinieren und zu motivieren.
Ich habe Germanistik, Anglistik und Theaterwissenschaften studiert, während des Studiums beim Privatradio gearbeitet und beim WDR hospitiert, dann promoviert und nach dem Studienabschluss als Praktikant beim Südwest Verlag im Verlagshaus Goethestraße in München angefangen. Dort war ich bereits nach einem guten Jahr festangestellter Redakteur und habe in der Folge zahlreiche Buchprojekte mit einem breiten Themenspektrum betreut: Gesundheit, Recht, Finanzen, Garten, Kochen bis hin zu Esoterik.
Durch verschiedene Verkäufe bzw. Umfirmierungen des Verlagshauses lernte ich die Verlagshäuser Ullstein, Heyne und schließlich Random House kennen, stets als Redakteur bzw. Redaktionsleiter beim Südwest Verlag. Mein Job ist nach wie vor in Bewegung, sei es durch Digitalisierung, neue Themen oder neue Vermarktungsstrategien. Zudem bin ich Betriebsrat, was mir immer wieder neue und interessante Einblicke in die Arbeit der Kolleg*innen im Haus gewährt.
Mit den Kolleg*innen Programme und einzelnen Buchprojekte umzusetzen, zu schauen, was sind die neuen Themen, wo passieren sie, was können wir dazu publizieren, welche Autor*innen sprechen wir an und welche Leser*innen wollen wir erreichen. Im Ratgeberbereich kauft man oft keine fertigen Manuskripte oder fremdsprachige Lizenzen ein, sondern meist fängt alles an mit einer Idee, einer Marktbeobachtung (womit nicht zwingend der Buchmarkt gemeint ist) oder dem Kennenlernen einer interessanten Person (bzw. eines potenziellen Autors mit speziellen Fähigkeiten). Von der Projektidee ausgehend wird das „Produkt“ Stück für Stück entwickelt. Und damit nicht nur ein schönes Buch entsteht, ist es wichtig, gemeinsam mit den Fachabteilungen (Werbung, Vertrieb, Online-Marketing etc.) sicherzustellen bzw. bestmöglich zu versuchen, die intendierten Leser*innen auch wirklich zu erreichen. Mir persönlich bedeutet das kreative Moment in der Programmarbeit am meisten, weil hier keine Routine aufkommt.
Der Gestaltungsspielraum. Solange es wirtschaftlich und programmatisch vernünftig ist, kann ich sehr flexibel entscheiden, wie wir unser Programm entwickeln und umsetzen. Das umfasst viele Bereiche: z.B. die zeitliche Gestaltung der Arbeitsprozesse oder die Zusammenarbeit mit externen Grafiker*innen und Setzer*innen und mit den Kolleg*innen der Fachabteilungen im Haus. Kein Projekt läuft gleich und stets lernt man etwas dazu. Das breite Themenportfolio und die Größe des Hauses tragen außerdem dazu bei, dass ich immer wieder neue interessante Leute kennenlerne, von denen frische Impulse kommen.
Privat lese ich vor allem Romane. Eins meiner Lieblingsbücher in den letzten Jahren war Winter in Maine von Gerard Donovan im Luchterhand Verlag. Erstaunlich, mit welch knappen Mitteln so viel Tiefgang möglich ist, wie eine sehr spezielle Situation – Aufenthalt in einer einsamen Hütte im Winterwald, die bis unters Dach mit Büchern „isoliert“ ist – Basis sein kann für die literarische Gestaltung eines anspruchsvollen Themas wie „Vergeltung“. Großartig!
Ein Buch aus meinem Arbeitsbereich möchte ich eigentlich jedem in die Hand drücken, speziell den Schwarzmalern: Denken wie ein Buddha von Rick Hanson im Irisiana Verlag. Das Buch eines Neurowissenschaftlers, der gar nicht wissenschaftlich rüberkommt, sondern sehr praktikabel zeigt, wie gute Emotionen im Gehirn und auch im Körper verankert werden können. Man muss sie nur zulassen und aktiv mit ihnen umgehen bzw. sie gestalten. Klingt banal, ist es aber nicht, denn die menschliche Psyche ist evolutionsbedingt immer noch auf das Vermeiden von Gefahren und auf Verteidigung getrimmt. Das ist angesichts der meisten Alltagssituationen und Begegnungen mit anderen Menschen heutzutage eher selten sinnvoll. Die praktischen Beispiele in dem Buch führen schnell zur Erkenntnis: Hey, ich sollte meinen Fokus verstärkt auf die positiven Dinge im Leben richten und nicht so stark auf Negatives bzw. das, was gerade schief läuft. Neuroplastizität ist das Fachwort für das Entstehen neuer Hirnstrukturen durch neue Gedanken. Die Botschaft des Neurowissenschaftlers Rick Hanson lautet: das Fokussieren auf positive Erfahrungen verändert das Gehirn und somit auch das eigene Befinden und Handeln zum Besseren. Eine Buchempfehlung nicht nur für Miesepeter.